Vitamin B6 beeinflusst den Stoffwechsel, Hormone und Nerven. Aber ein Mangel ist sehr selten.
Was steckt hinter der Werbung zu Vitamin B6?
"Sorgt für Ruhe und Ausgeglichenheit" und "beteiligt an der Produktion von Nervenbotenstoffen wie Serotonin" versprechen die Hersteller und warnen "ein Mangel führt zu Stimmungsschwankungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Schlaflosigkeit und Reizbarkeit".
Vitamin B6 wird häufig gemeinsam mit anderen B-Vitaminen beworben. zum Beispiel als "Gehirn-Vitamine", "Glücks-Vitamine" oder "Anti-Stress-Vitamine". Zielgruppe der Werbung sind häufig Frauen in den Wechseljahren oder auch Sportler:innen.
Für Vitamin B6 sind einige Gesundheitsversprechen, sogenannte Health Claims zugelassen. Es darf u.a. damit geworben werden, dass B6 "zu einer normalen psychischen Funktion", "zu einer normalen Funktion des Nervensystems", "zur Verringerung von Ermüdung und Müdigkeit" oder "zur Regulierung der Hormontätigkeit" beiträgt. Ebenfalls erlaubt ist die Aussage "trägt zu einem normalen Energiestoffwechsel bei".
Gemeinsam mit den Vitaminen B12 und Folat spielt Vitamin B6 eine wichtige Rolle im Homocystein-Stoffwechsel. Homocystein ist ein Stoffwechselprodukt, das in höheren Mengen unter anderem den Stoffwechsel von Nervenbotenstoffen stört. Für Vitamin B6 ist deshalb, wie für die anderen beiden genannten Vitamine, der Health Claim "trägt zu einem normalen Homocystein-Stoffwechsel bei" zugelassen.
Ungeklärt ist, ob Vitamin B6 eine vorbeugende Wirkung bei Herz-Kreislauf-, Haut- und Nerven-Erkrankungen hat.
Ob Sie bei Schwangerschaftsübelkeit oder –erbrechen von einer zusätzlichen Versorgung mit Vitamin B6 profitieren können, sollten Sie mit Ihrer Frauenärztin bzw. Frauenarzt besprechen.
Das Vitamin liegt in verschiedenen Formen im Körper vor. Von besonderer Bedeutung ist die Form PLP (Pyridoxal-5′-Phosphat), die als Coenzym an circa 100 enzymatischen Reaktionen, zum Beispiel im Aminosäure-Stoffwechsel, beteiligt ist. Die Aussage von Anbietern, dass Produkte mit PLP vom Organismus direkt verwertbar sind und im Körper nicht mehr umgewandelt werden müssen, trifft so nicht zu: Beim Verdauungsvorgang kommt es erstmal zu einem Abbau. In Leber, Blut und Nieren erfolgt ein ständiger Umbau der verschiedenen Vorstufen und Formen des Vitamins. Dabei entsteht unter anderem PLP, das in der Muskulatur gespeichert wird.
Auf was sollte ich bei der Einnahme von Vitamin B6-Produkten achten?
Dass Sie über Nahrungsmittel zu viel Vitamin B6 aufnehmen, ist kaum möglich. In Nahrungsergänzungsmitteln wird B6 allerdings, wie auch andere Vitamine, oft hoch dosiert eingesetzt. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt Erwachsenen und Jugendlichen ab 15 Jahren nicht mehr als 0,9 Milligramm Vitamin B6 pro Tag über Nahrungsergänzungsmittel aufzunehmen.
Die tolerierbare Tageshöchstmenge (Tolerable Upper Intake Level oder UL) aus allen Quellen (also Lebensmitteln plus Getränke plus angereicherte Lebensmittel plus Nahrungsergänzungsmittel) beträgt 12 Milligramm für Erwachsene, inklusive Schwangere und Stillende. Mengen über 12 Milligramm pro Tag schätzt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA als nicht sicher ein, bei Kindern und Jugendlichen sollten es je nach Körpergewicht maximal 2 bis 11 Milligramm ein. Die Zeitschrift Öko-Test hat 2019 in ihrem Test von Multivitaminpräparaten bei einigen Produkten erhöhte Dosierungen festgestellt, auch bei Vitamin B6. Damals lag der UL noch doppelt so hoch. Auch bei von der Stiftung Warentest 2023 untersuchten Nahrungsergänzungsmitteln für Männer wurden vereinzelt zu hohe Vitamin B6-Dosierungen festgestellt.
Im Chemischen Veterinär- und Untersuchungsamt Karlsruhe wurden 2021 bis 2023 Nahrungsergänzungsmittel für Kinder untersucht. Sowohl bei Kindern von 1bis 4 Jahren als auch von 4 bis 7 Jahren wurden durch die Produkte die Referenzwerte für Vitamin B6 für diese Altersgruppen meist deutlich überschritten. Während einige Produkte den Referenzwert bis zu 300 Prozent ausschöpften, lag der Mittelwert der Produkte bei 170 Prozent (1 bis 4 Jahre) oder bei 140 Prozent (4 bis 7 Jahre).
Gerade Vitamin B6-Produkte für Sportler:innen aus dem Internet liefern manchmal mehr als 3.000 Prozent des Tagesbedarfs oder der Zufuhrempfehlungen, wie das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit 2015 festgestellt hat. Diese sehr hohen Dosierungen können Sie daran erkennen, dass der auf der Verpackung in der Nährwerttabelle angegebene Nährstoffbezugswert (NRV oder nutrient reference value) für die Tageszufuhr die 100 Prozent deutlich übersteigt, zum Beispiel "3.500 Prozent NRV".
Größere Mengen Vitamin B6 scheinen nicht akut giftig zu sein. Allerdings besteht bei langfristiger Aufnahme von großen Mengen der Verdacht, dass es zu Nervenstörungen oder Neuropathien der peripheren Nerven kommt. Beobachtet wurden: Probleme beim Gehen durch Muskelschwäche, eine besondere Empfindlichkeit gegenüber Sonnenlicht, Hautausschläge, unangenehmes Kribbeln in Händen oder Füßen, unsicheres Laufen, schmerzhafte Missempfindungen oder Taubheitsgefühle. Deswegen erfolgte auf Grundlage einer neuen Bewertung des EFSA-Gremiums für Ernährung, neuartige Lebensmittel und Lebensmittelallergene (NDA) in 2023 auch die Absenkung des UL.
Laut einer amerikanischen Studie aus dem Jahr 2017 mit 77.000 Teilnehmer:innen hatten die männlichen Teilnehmer, die über mehrere Jahre hochdosiertes Vitamin B6 (über 20 Milligramm pro Tag) und Vitamin B12 (über 55 Mikrogramm pro Tag) einnahmen, ein deutlich erhöhtes Lungenkrebsrisiko. Raucher:innen waren besonders stark betroffen.
Da es in zwei norwegischen Interventionsstudien überraschenderweise nach der Einnahme von Vitamin B6 zu einem Anstieg von Hüftfrakturen bei Frauen in der Menopause gekommen war, wurde Daten der Nurses' Health Study ausgewertet. In dieser Kohortenstudie war eine kombinierte hohe Zufuhr der Vitamine B6 und B12 mit einem erhöhten Risiko für eine Hüftfraktur verbunden. Eine Beobachtungsstudie kann letztlich nicht beweisen, dass die Einnahme der beiden Vitamine tatsächlich für das erhöhte Frakturrisiko verantwortlich war und wenn ja, auf welche Weise das passiert. Da es jedoch keinen wissenschaftlich belegten Nutzen für die Einnahme der Vitamine gibt, sollten gesunde Personen nach Ansicht der Wissenschaftler auf die Einnahme vorsorglich verzichten.
Sehr hohe Dosierungen von Vitamin B6 können die Wirkung von Medikamenten beeinträchtigen, zum Beispiel ist die Wirkung von Levodopa (Arzneimittel bei Parkinson) oder Phenytoin (Arzneimittel bei Epilepsie) vermindert.
Bei stillenden Frauen können hohe Dosen von Vitamin B6 die Milchproduktion hemmen. Vitamin B6 geht in die Muttermilch über.
Hinweis:
Diese Vitamin B6 -Verbindungen sind für in Deutschland und anderen EU-Ländern in Nahrungsergänzungsmitteln zugelassen (gemäß EU-Richtlinie 2002/46/EG, Anhang II (Fassung vom 30.09.2022)):
- Pyridoxinhydrochlorid
- Pyridoxin-5′-phosphat
- Pyridoxal-5′-phosphat
Wofür braucht der Körper Vitamin B6?
Vitamin B6 ist ein Sammelbegriff für verschiedene verwandte Stoffe mit Vitaminwirkung, wie Pyridoxin, Pyridoxamin und Pyridoxal. Sie regeln zentrale Abläufe im Körper. Vitamin B6 ist das wichtigste Coenzym im Aminosäure-Stoffwechsel. Es reguliert gemeinsam mit Folat und anderen B-Vitaminen den Homocystein-Stoffwechsel. Es ist an der Bildung von Botenstoffen in den Nerven und im Fettstoffwechsel beteiligt. Das Vitamin beeinflusst bestimmte Hormonaktivitäten und hat Auswirkungen auf das Immunsystem.
Vitamin B6 gehört zu den wasserlöslichen Vitaminen. Bei ausreichender Versorgung sind im Körper ungefähr 100 Milligramm der Muskulatur gespeichert, überschüssige Mengen werden über die Nieren mit dem Urin ausgeschieden.
Ein Mangel an diesem Vitamin ist bei gesunden Menschen sehr selten, da mit der Nahrung meist genug davon aufgenommen wird. Das gilt auch für Sporttreibende. Wechselwirkungen mit bestimmten Medikamenten, zum Beispiel Antikonvulsiva, Medikamente gegen Asthma und Tuberkulose, können den Bedarf erhöhen.
Zu Mangelsymptomen können chronische Verdauungsstörungen, Alkoholabhängigkeit oder eine zu geringe Nahrungsaufnahme führen, etwa durch häufige Diäten oder bei älteren Menschen. Das sind zum Beispiel Blutarmut, Ausschläge und Entzündungen am Mund, Durchfall, Erbrechen und Krämpfe.
Kann ich meinen Tagesbedarf über die Nahrung decken?
Frauen können ihren Vitamin-B6-Bedarf von 1,4 Milligramm pro Tag und Männer von 1,6 Milligramm mit einer abwechslungsreichen Kost problemlos decken. Schwangere (1,5 oder 1,8 Milligramm pro Tag) und Stillende (1,6 Milligramm pro Tag) haben zwar einen erhöhten Bedarf, aber kaum Probleme, diese Werte zu erreichen. Lediglich Senior:innen in Pflegeheimen stellen eine Risikogruppe dar.
Vitamin B6 ist in pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln weit verbreitet. Die Verfügbarkeit aus tierischen Lebensmitteln ist allerdings deutlich höher als aus pflanzlichen, besonders, wenn deren Ballaststoffgehalt hoch ist.
Besonders gute tierische Quellen finden Sie in Fisch, wie Lachs oder Makrele, Fleisch und Leber. Milchprodukte enthalten zwar eher geringere Mengen. Wenn Sie sie aber reichlich verzehren, sind sie ebenfalls gute Vitamin B6-Lieferanten.
Bei den pflanzlichen Lebensmitteln können Sie neben Nüssen vor allen Dingen auf Vollkorngetreide, Kartoffeln, Gemüsesorten wie Tomaten, rote Paprika und Karotten sowie Hülsenfrüchte zurückgreifen.
Tipp
Wählen Sie bei Getreideprodukten bevorzugt die Vollkornvariante. Gemüse sollte schonend und mit wenig Wasser gegart werden. Sorgen Sie für eine sonnen- und lichtgeschützte Lagerung von Gemüse und Kartoffeln.