Gar nicht so harmlos: Grüntee-Extrakt

Stand:
Über Grüntee-Extrakte und das enthaltene EGCG werden wundersame Wirkungen berichtet. Doch statt nicht bewiesener Effekte gibt es eine Vielzahl unerwünschter Reaktionen.
Grüner Tee und Kapseln aus grünem Tee

Das Wichtigste in Kürze:
Achtung, kann der Gesundheit schaden!

  • Für Nahrungsergänzungsmittel und andere Lebensmittel mit Grüntee-Extrakt sind keinerlei gesundheitsbezogenen Aussagen zugelassen.
  • Grüntee-Extrakte, insbesondere EGCG (Epigallocatechin-3-gallat), können zu Leberschädigungen bis hin zu Leberversagen, erhöhtem Blutdruck und erhöhtem Augeninnendruck führen.
  • Nicht mehr als 800 Milligramm EGCG aus allen Quellen (inklusive grünem Tee) pro Tag aufnehmen.
  • Es sind Wechselwirkungen mit einer Vielzahl von Medikamenten bekannt.
  • Nicht geeignet für Schwangere, Stillende und Personen unter 18 Jahren.
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Was sind Grüntee-Extrakte?

Grüner Tee wird in Asien seit mindestens 4.000 Jahren getrunken. Er wird aus derselben Teepflanze gewonnen wie der schwarze Tee. Er wird weder fermentiert noch oxidiert und hat einen milderen Geschmack. Grüner Tee enthält etwa halb so viel Koffein, rund 20 bis 45 Milligramm pro Tasse,  wie Schwarztee. Es gibt zwei Hauptsorten von grünem Tee:

  • den großblättrigen indischen Assam-Tee (Camellia sinensis var. Assamica) und 
  • den kleinblättrigen Camellia sinensis var. Sinensis aus China und Japan. 

Assam-Tee hat einen höheren Polyphenol-Gehalt.

Polyphenole gehören zu den sekundären Pflanzenstoffen, ebenso wie die im Tee enthaltenen Gerbstoffe und Katechine. Letztere gelten als die eigentlichen "Wirkstoffe" in Grüntee-Extrakten. Katechine gehören zur Gruppe der Flavonoide, genauer zur Flavanolgruppe der Flavonoide, die bis zu 30 Prozent des Trockengewichts der Teeblätter ausmachen können. 

Grüner Tee enthält wegen seiner anderen Verarbeitung mehr Katechine als schwarzer Tee. Aber auch der Katechin-Gehalt variiert. Er wird beeinflusst durch die Wachstumsbedingungen, den Zeitpunkt der Ernte und die Brühtemperatur. Das am häufigsten vorkommende, besonders aktive Katechin ist das Epigallocatechin-3-Gallat (EGCG).

Die Katechin-Aufnahme aus Tee liegt in der EU im Schnitt zwischen 90 und 300 Milligramm pro Tag, also weit unter der Unbedenklichkeitsgrenze von 800 Milligramm. Wer sehr viel Tee trinkt, könnte an die 800-Milligramm-Grenze gelangen. Trotzdem bekommen sie viel seltener Leberprobleme, vermutlich weil sie den Tee über den Tag verteilt und oft während Mahlzeit zu sich nehmen.

Was steckt hinter der Werbung zu Grüntee-Extrakt?

Ihm werden unzählige gesundheitsfördernde Wirkungen nachgesagt. So soll er vor Krebs schützen, das Immunsystem stärken, Cholesterin- und Blutzuckerspiegel senken und durch Fettabbau die Gewichtsreduktion unterstützen. Internetblogs gehen sogar noch weiter und verherrlichen die heilende Wirkung des "Gold Asiens" bei Arthritis, Rheuma, Endometriose, Herzerkrankungen, Allergien und Alzheimer. 

Demnach kann Grüntee den Krebs sogar blockieren und für die Neubildung von Nervenzellen sorgen, um das Gedächtnis zu stärken. Begründet wird das alles mit der starken antioxidativen Wirkung der Inhaltsstoffe, vor allem der Polyphenole und des EGCG. In der Fachliteratur wird die Abkürzung EGCG sowohl für Epigallocatechingallat als auch für Epigallocatechin-3-gallat benutzt.

Das Wenigste wurde systematisch an Menschen untersucht. Fast alle Daten, die auf eine mögliche Wirkung hindeuten, stammen aus Zellkultur- oder Tierversuchen. Humanstudien wiederum sind häufig Beobachtungstudien oder aber es wurden unterschiedliche Substanzen, wie Grüner Tee als Getränk oder Pulver, verschiedene Extrakte oder reines EGCG, verwendet, so dass sie nicht wirklich aussagekräftig und reproduzierbar sind.

Hinzu kommt, dass Nahrungsergänzungsmittel keine pharmakologische Wirkung haben dürfen und eben nicht lindernd, heilend oder therapeutisch eingesetzt werden sollen. Das wäre die Aufgabe von (pflanzlichen) Arzneimitteln. Nahrungsergänzungsmittel sind in erster Linie für gesunde Personen bestimmt und es gibt bisher keinen wissenschaftlichen Beweis, dass Nahrungsergänzungsmittel mit einem Grüntee-Extrakt für diese Personengruppe besonders gesundheitsförderlich wären. 

Vor allem gibt es keine Belege für eine spezifische Wirkung wie die oben aufgeführte. Konkret wurden fünf sogenannte Health Claims beantragt, welche allesamt den Status "non-authorised" bekommen haben. Ganz im Gegenteil hat die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) sogar Sicherheitsbedenken hinsichtlich der Grüntee-Extrakte geäußert. Grüner Tee als solcher gilt hingegen in üblichen Mengen als sicher.

Auf was sollte ich bei der Verwendung von Grüntee-Produkten achten?

  • Grüntee-Produkte (als Tee-Aufguss oder Matcha-Pulver) gelten als sicher. 
  • Bei (konzentrierten) Grüntee-Extrakten werden dagegen Leberschädigungen bis hin zu Leberversagen, erhöhter Blutdruck und erhöhter Augeninnendruck gemeldet. Ursache sollen die Katechine, vor allem Epigallocatechingallat-3-gallat, sein. Deswegen hat die EU zum 1. Januar 2023 den EGCG-Gehalt von Grüntee-Extrakten, die nicht zur Teezubereitung gedacht sind, auf maximal 800 Milligramm pro Tag gesetzlich beschränkt
  • Auf dem Etikett muss die maximale tägliche Verzehrmenge in Portionen des Lebensmittels angegeben und ein Warnhinweis angebracht werden, dass eine Tagesdosis von 800 Milligramm (-)-Epigallocatechin-3-gallat nicht überschritten werden darf. In der Kennzeichnung muss der Gehalt an (-)-Epigallocatechin-3-gallat je Portion des Lebensmittels angegeben werden. 

    Produkte, die schon vorher auf dem Markt waren, durften bis zum 21. Juni 2023 verkauft werden.

    Außerdem sind folgende Warnhinweise auf der Verpackung vorgeschrieben: 
    ➜ "Sollte nicht verzehrt werden, wenn am selben Tag andere Erzeugnisse mit grünem Tee konsumiert werden."
    ➜ "Sollte nicht von schwangeren oder stillenden Frauen und Kindern unter 18 Jahren verzehrt werden."
    ➜ "Sollte nicht auf nüchternen Magen verzehrt werden." 
  • Finden Sie jedoch in der Zutatenliste die Zutat "Epigallocatechingallat" gilt laut Durchführungsverordnung (EU) 2017/2470 eine Höchstmenge von 150 Milligramm Extrakt pro Portion Nahrungsergänzungsmittel. Es handelt sich dabei um einen speziellen hochreinen Extrakt, der als neuartige Zutat zugelassen wurde. Die Kennzeichnung muss den Hinweis tragen, dass maximal 300 Milligramm Extrakt pro Tag verzehrt werden dürfen. 
  • Kaufen Sie nur Produkte, die in der Nährwerttabelle genaue Angaben zum EGCG-Gehalt machen. 
  • Verzichten Sie auf Produkte, die zusätzlich Piperin/Schwarzpfefferextrakt enthalten. Diese können unter Umständen die Bioverfügbarkeit von EGCG und damit die aufgenommene Menge über die sichere Menge hinaus erhöhen. Grundsätzlich sollten Erwachsene laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) nicht mehr als 2 Milligramm isoliertes Piperin pro Tag über Nahrungsergänzungsmittel aufnehmen. 
  • Als weitere unerwünschte Wirkungen werden bei Grünteeextrakten Verstopfung, Magen-Darm-Probleme und Übelkeit beschrieben. 
  • Es sind Wechselwirkungen mit zahlreichen Medikamenten wie beispielsweise Gerinnungshemmern, Betablockern, Atropin, Codein, Bortezomib, Tamoxifen, Verapamil und diversen Cholesterinsenkern bekannt. Nehmen Sie Nahrungsergänzungsmittel mit Grünteeextrakten nur nach Rücksprache mit Ihrer Arztpraxis oder Apotheke ein. 
  • Bestimmte Laborwerte, etwa Leberenzyme, können beeinflusst werden. Bitte bei allen Untersuchungen angeben, wenn Sie Nahrungsergänzungsmittel mit Grüntee verwenden. 
  • Wirkaussagen für Grüntee oder EGCG sind nicht erlaubt. Aussagen zur antioxidativen Wirkung beziehen sich in der Regel auf zugesetzte Nährstoffe wie Vitamin C, Selen oder Chrom. Achten Sie darauf, dass hier die Höchstmengenempfehlungen des BfR nicht überschritten werden.

Tipp: Wenn Sie Grünen Tee mögen, können Sie ihn bedenkenlos trinken, aber natürlich nicht in Massen oder als ausschließliches Getränk. Es gibt zahlreiche glaubhafte Hinweise auf gesundheitsförderliche Wirkungen des Tees, auch wenn er nicht bei oder gegen Krebs hilft. Die als Nahrungsergänzungsmittel erhältlichen Grüntee-Extrakte sind nach Auffassung der Verbraucherzentralen kein geeigneter Ersatz.

Quellen:


EFSA (2018): Scientific opinion on the safety of green tea catechins. EFSA Journal 16(4):5239

EU-Register of Health Claims, eingesehen am 18.01.2024

Verordnung (EU) 2022/2340 der Kommission vom 30.11.2022 zur Änderung des Anhangs III der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf Grüntee-Extrakte, die (-)-Epigallocatechin-3-gallat enthalten

Durchführungsverordnung (EU) 2017/2470 der Kommission vom 20. Dezember 2017 zur Erstellung der Unionsliste der neuartigen Lebensmittel gemäß der Verordnung (EU) 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates über neuartige Lebensmittel, Fassung vom 29.08.2022

Memorial Sloan Kettering Cancer Center: Green Tea, Stand: 19.05.2023

National Institutes of Health (NIH): Dietary Supplement Fact Sheets – Green Tea (abgerufen am 18.01.2024)

National Cancer Institute: Tea and Cancer Prevention. Stand: 17.11.2010

National Institutes of Health (NIH): Dietary Supplements for Weight Loss. Fact Sheet for Health Professionals. Stand: 18.05.2022 (abgerufen am 18.01.2024)

BfR (2019): Nahrungsergänzungsmittel mit Piperin. BfR Spektrum Lebensmittelsicherheit Heft 1/2019, S. 27

Smollich M (2018): Grüner Tee-Extrakt: Leber versagt, Blutdruck steigt

Nahrungsergänzungsmittel auf Grünteebasis. Institut für Pharmazeutische Biologie und Phytochemie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (abgerufen am18.01.2024)

Ritzka M (2018): EFSA: Grüntee ist unbedenklich. Ernährung im Fokus 07–08, 244

Grajecki D et al. (2022): Green tea extract-associated acute liver injury: Case report and review. Clin Liver Dis (Hoboken) 20(6): 181-187.

Zhao T et al. (2022): Green Tea (Camellia sinensis): A Review of Its Phytochemistry, Pharmacology, and Toxicology. Molecules 27(12), 3909.

Fletcher C et al. (2024): Acute liver failure secondary to green tea extract. Pathology 56(4), 597-599.
 

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