Eigenmächtige Preiserhöhungen, Festhalten an gekündigten Verträgen, unzureichende Informationen zum Widerrufsrecht: Die Strom- und Gasanbieter primastrom, voxenergie und nowenergy sorgten in der Vergangenheit vielfach für Ärger bei Kundinnen und Kunden. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und die Unternehmensgruppe primaholding haben nun einen außergerichtlichen Vergleich erzielt. Wer profitiert und wie können sich Kundinnen und Kunden Geld zurückholen?
„Die primaholding-Gruppe wollte Kunden länger als erlaubt an sich binden und drückte ihnen unzulässige Preiserhöhungen aufs Auge. Gut für Verbraucher, dass eine umfangreiche außergerichtliche Einigung gelungen ist. Statt eines langen Gerichtsverfahrens haben Kunden nach diesem Vergleich nun Klarheit. Sie können sich erhebliche Beträge zurückholen und Verträge schneller beenden. Wer profitieren will, muss seinen Anbieter lediglich anschreiben”, sagt Ramona Pop, Vorständin beim vzbv.
„Auch bayerische Verbraucher bekommen etwaige Guthaben in voller Höhe erstattet“, sagt Marion Gaksch, Energierechtsexpertin der Verbraucherzentrale Bayern. „Die Beträge liegen dabei teils im vierstelligen Bereich. In einem Fall hat primastrom dem betroffenen Verbraucher mehr als 5.500 Euro erstattet.“
Vergleiche entlasten Kunden
Die außergerichtliche Einigung klärte mehrere Punkte, in denen primaholding-Unternehmen aus Sicht des vzbv unzulässig gegenüber Kunden agierten:
- Zurückgewiesene Widerrufserklärungen: In den zurückliegenden Jahren haben die Energieanbieter Widerrufe als verspätet zurückgewiesen und Verbraucher nicht aus den Verträgen entlassen. Je nach Einzelfall können Kunden sofort oder früher als gedacht aus ihren Verträgen kommen und – auch rückwirkend – günstigere Tarife erhalten. Bestimmte Vertragswiderrufe können auch jetzt noch getätigt werden.
- Unverhältnismäßig lange Laufzeiten nach Kündigung: Nachdem Kunden ihre Verträge gekündigt hatten, gab es Fälle, in denen die Anbieter das Vertragsende erst weit in der Zukunft bestätigten – teilweise erst 2027. Der Vergleich legt fest, dass Kunden, die bereits gekündigt haben, grundsätzlich spätestens zwei Jahre nach Vertragsbeginn aus ihren Verträgen entlassen werden. Außerdem profitieren Kunden von günstigeren Preisen, die ab der Kündigungserklärung für ihre Verträge gelten. Sie müssen dafür ihren Anbieter anschreiben. Auch, wer jetzt noch kündigt, kann bessere Konditionen erhalten.
- Angebliche Preissenkungen: primastrom, voxenergie und nowenergy gingen mit „Preissenkungsschreiben“ auf ihre Kunden zu, nachdem sie die Preise zunächst eigenmächtig erhöht hatten. Das Problem: Die beworbenen Preise waren zwar etwas günstiger als die bis dato berechneten Preise. Jedoch lagen sie immer noch weit über dem Marktdurchschnitt. Wer so ein Angebot annahm, war an die überhöhten Preise gebunden. Der außergerichtliche Vergleich legt eine Obergrenze fest, zu welchen Preisen Strom und Gas abgerechnet werden dürfen. Je nach Situation können sich Arbeitspreise dadurch rückwirkend mehr als halbieren.
Im Ergebnis sieht der vzbv von einer Sammelklage gegen die primaholding-Gruppe ab.
Kunden müssen selbst aktiv werden
- Wer gegenüber primastrom, voxenergie oder nowenergy den Widerruf oder die Kündigung bereits erklärt hat, muss sich gegenüber den Anbietern nur noch auf den Vergleich berufen. Dafür genügt eine E-Mail. Textbausteine und weitere Informationen, wohin sich Betroffene wenden können, sind zu finden unter www.sammelklagen.de/verfahren/primaholding.
- Die Frist dafür endet am 31. Dezember 2024.
- Wer seinen Vertrag noch nicht widerrufen hat, kann das möglicherweise immer noch nachholen oder alternativ eine Kündigung einreichen. Auch dann können Verbraucher vom Vergleich profitieren und bessere Konditionen erhalten.
Der Vergleichs-Check des vzbv gibt Orientierung für unterschiedliche Fallkonstellationen. Verbraucher erfahren genau, was sie aufgrund des Vergleichs bekommen und wie sie ihre Forderung aus dem Vergleich geltend machen.
Hintergrund
Bereits Anfang des Jahres 2024 erzielte der vzbv einen Vergleich mit den primaholding-Töchtern primastrom und voxenergie, der Entlastungen für Kunden mit sich brachte. Daraufhin hatte der vzbv seine Musterfeststellungsklagen gegen die beiden Anbieter zurückgezogen. Der nun erzielte Vergleich mit primastrom, voxenergie und nowenergy erweitert den Kreis derjenigen, die profitieren: Neben den Kunden von primastrom und voxenergie erzielt der Vergleich nun auch Verbesserungen für Kunden von nowenergy.
Primastrom, voxenergie und nowenergy halten weiterhin daran fest, dass ihr bisheriges Verhalten rechtlich nicht zu beanstanden war. Zur Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung haben sie die Verpflichtungen aus dem Vergleich aber akzeptiert.